Meiner Meinung nach ist der Platz vor der Heinrich-Böll-Bibliothek auf der Greifswalder Straße einer der langweiligsten und ausgestorbenen Plätze in Berlin. Da sich jedoch neben der Bibliothek eine Einrichtung der Vista Berlin für Suchtkranke befindet, lernt man den einen oder anderen Suchtkranken dort kennen. Zwei davon sind der obdachlose Rentner Marcel und die türkisch-kurdische Kreuzbergerin Hülya. Hülya sprach mich vor der Bibliothek an und wir haben gemeinsam etwas Gras besorgt. Aufgrund ihrer offenen, hilfsbereiten Art und ihr Wissen über das soziale System hat sie mir diesbezüglich schon viele Tipps gegeben. Ihre Betreuung scheint auch stabil zu laufen und trotz ihres Konsums und Depressionen wirkt sie sehr reflektiert, was ihre Psyche und Vergangenheit betrifft. Misshandlung und zu wenig Liebe in der Kindheit sind ein immer wieder auftretendes Thema, mit dem sie Trost und Gemeinsamkeiten in der kleinen Community findet. Da die Kreuzberger Umgebung und der Görlitzer Park eine zu große Versuchung sind, befindet sie sich im langweiligen Bötzow Kiez im Exil und die Ruhe tut ihr gut. Ganz im Gegenteil zu den einheimischen Obstbewohnern, die unter der Veränderung und dem Aussterben der Ostkultur leiden. Auch ich stelle fest, dass das Leben im Osten auf der Straße stattgefunden hat. Früher saßen die Sexarbeiter im Bordell Prime Massage vor dem Laden und haben sich gesonnt. Mittlerweile wirkt es mehr wie Zwangs isolierter Menschenhandel, der keine Möglichkeit hat, sich etwas ins Haus zu integrieren. Von dem Druck der älteren Bevölkerung, als Zeitzeugen instrumentalisiert zu werden, wehren sie sich gegen mediale Dokumentation. Umso überraschender, als Hülya, nachdem ich sie nach ihrer Geschichte und Aufzeichnung fragte, völlig entspannt zustimmte.